Ein schmackhafter Rückblick
Pizza & Politik war eine Workshop-Reihe des Jugendzentrums JUSTY in Steyregg, die einmal im Monat zwischen Februar und Mai 2023 stattfand. Sie fand im Auftrag der “Familienakademie Mühlviertel” in Kooperation mit der Initiative “Steyregg ist bunt” statt und wurde von der ”Österreichischen Gesellschaft für politische Bildung” gefördert.
Um was ging es dabei?
“Ich finde das sowas von dumm, dass man neben einem Jugendzentrum, wo die Hälfte oder mehr als die Hälfte der Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben, eine rechtsextreme Basis aufbaut. Wen wollen die Nazis bitte für sich gewinnen?” (Zitat: BT nach Florian Wahl)
In der Workshop-Reihe, die von Februar bis Mai im JUSTY stattfand, ging es um Rechtsextremismus. In vier Workshops wurde dieses Thema auf unterschiedliche Weise betrachtet, und zwar ohne, dass jemand vorne stand und predigte. Unsere Vortragenden kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens und sind keine Lehrer. Sie alle haben gemeinsam, dass sie gegen Intoleranz auftreten und für die Würde aller Menschen kämpfen. Es wurde gezeigt, dass Hass und Hetze viele Gesichter haben und als das erkannt werden können. Darüber hinaus wurden Möglichkeiten gezeigt, wie man gegen diese Formen der Ausgrenzung auftreten kann und dass man als jugendliches Mitglied einer Gemeinde Mitspracherecht hat. Und es gab jede Menge Pizza!
Es war einmal in Steyregg
Da kam ein Unbekannter nach Steyregg und interessierte sich für ein altes Haus im Ort. Erst nach dem Kauf stellte sich heraus, dass das ein Strohmann der Identitären Bewegung war. Diese musste ihren Stützpunkt in Linz verlassen, weil ihr der Mietvertrag nach Protesten gekündigt wurde.
Gekauft ist gekauft – daran ist im Nachhinein nicht zu rütteln. Dass Identitäre rechtsextremes Gedankengut verbreiten, wussten einige Steyregger:innen bereits. Die fanden, dass dem Wirken der Identitären im Ort widersprochen werden muss. Irgendwas musste also unternommen werden, damit sich die Identitären nicht nach Belieben entfalten können. Ein findiger Bürger hatte die Idee des Regenbogen-Zebrastreifens. Die Regenbogenfarben symbolisieren alle Menschen, wo auch immer sie herkommen und was ihre Vorlieben sind. Der Vorschlag wurde von der Gemeinde aufgegriffen. Die Gemeinde Steyregg setzte somit ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass alle Menschen willkommen sind (bis auf die, die Hass versprühen. Das nennt sich Toleranz-Paradoxon).
Der Regenbogen-Zebrastreifen war Namensgeber für die Initiative “Steyregg ist bunt”. Die Mitglieder der Initiative wollten auch, dass andere Menschen erfahren, was vor sich geht. Daher haben sie einen Vortrag und eine Diskussion mit Expertinnen und Experten für Rechtsextremismus organisiert. Die wesentlichen Fragen dabei waren: Warum sind Identitäre so gefährlich? Weil aus Worten werden Taten! Aber, die grüßen doch immer so freundlich beim Vorbeigehen. Sind das keine harmlosen Burschen? Nope, sind sie nicht. Die machen nur aus strategischen Gründen nicht ins eigene Nest.
Pizza kann uns retten
Es begab sich an einem kalten Novemberabend, als ein Jugendlicher ins JUZ gelaufen kam und ganz aufgeregt von einer Demonstration berichtete, die gerade vor dem Haus der Identitären Bewegung stattfand. „Do gemma hin!“, rief ein Anderer und sogleich machten sich einige Besucher und Besucherinnen auf den Weg, um sich das Spektakel anzusehen. Draußen lag bereits Schnee und auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten sich einige Menschen versammelt, die laute Musik spielten und Plakate hochhielten. Ihnen gegenüber, auf der Seite mit dem Haus der „Identitären“, standen vereinzelt junge Männer herum, die sich unterhielten. Die Stimmung war ruhig und so langweilten sich die Jugendlichen. Plötzlich lösten sich aus der Versammlung zwei Gestalten, und fragten, wer wir seien, und erklärten im Folgenden, dass sie aus Graz und Wien stammen und gegen den Gast, den die „Identitären“ für diesen Abend eingeladen hatten, protestieren würden. Ein Teil der Jugendlichen wollte sich die Demo aus der Nähe ansehen und schlossen sich den Protestierenden an. Auf der Demo wurde plötzlich ein Lied gespielt, in dem es um Pizza und Protest ging – es sollte später noch wichtig werden. Die anderen Jugendlichen blieben in der Entfernung stehen und beobachteten weiter. Irgendwann war die Demo zu Ende und die Aufregung legte sich. Im JUZ begann die erste Diskussion zum Thema Rechtsextremismus und wie man am besten auf eine Provokation reagieren sollte. Das Pizza-Lied wurde gespielt und so entstand an diesem Abend der Name für die bevorstehende Workshop-Reihe.
”Es klingelt an der Tür, dann kommt der Lieferant
Mit dem dampfenden Symbol unserer Hoffnung in der Hand
Die heilige Scheibe, die alle vereint
Die Weisheit der Menschheit, gebacken in Teig
”
Zitat: Pizza – Antilopengang
Schöne Meinung hast du da, gibt’s die auch mit Anhang?
In diesem ersten Workshop beschäftigten wir uns mit der Frage, was Extremismus bedeutet und welche Codes und Aussagen, sowie scheinbare „Argumente“ in der Szene des Rechtsextremismus verwendet werden. Darüber hinaus wurden verschiedene Symbole vorgestellt und die gesetzliche Situation in Österreich besprochen. Den Abschluss bildete eine Talkshow-Runde, in der die Teilnehmer:innen dazu eingeladen wurden, unterschiedliche Standpunkte einzunehmen und diese zu diskutieren.
Gibt es noch ein “Wir” und wenn ja, wie viele?
Im Rahmen des zweiten Workshops wurde der Frage nachgegangen, was Rechtsextremismus mit der Gesellschaft macht und welche Funktion er hat. Es wurden Rap-Texte miteinander verglichen und diskutiert. Dabei wurde klar, dass Kunst niemals unpolitisch ist. Beispiele aus dem Alltag leiteten am Ende in eine Diskussionsrunde über, in der klar wurde, dass nicht nur Besucher:innen des JUSTY mit Migrationshintergrund von Rassismus betroffen sind, sondern auch deren Freundinnen und Freunde, die keinen Migrationshintergrund haben.
Der Algorithmus hat immer Recht(s)
In unserer Welt gibt es verschiedene Meinungen und Überzeugungen und im Internet kann man sie alle nachlesen. Leider werden Kommentarspalten und Foren dazu genutzt, um Hass und Diskriminierung zu schüren, während die Tech-Riesen kein Problem damit zu haben scheinen. Warum denn auch? Denn sie profitieren von den hohen Klickzahlen, die sogenannte Hass-Postings generieren. Wir haben besprochen, wie man die Tricks der Netzwerke durchschauen kann und darüber hinaus erfahren, dass Nazis heutzutage auf den ersten Blick selten als solche zu erkennen sind. Sie könnten, ohne Probleme, auch die netten jungen Herren von nebenan sein, die sich gerade ein Haus gekauft haben.
Vertriebene, die gegen Vertriebene sind
Die Identitären wurden aus Linz vertrieben. Seither ist ihr Hauptquartier in Steyregg. Am Beispiel der Initiative „Steyregg ist bunt“ wurde über Zivilcourage gesprochen und welche Formen sie annehmen kann. Wir hörten die Geschichte, wie die Identitären nach Steyregg kamen, wie sich die Initiative „Steyregg ist bunt“ gebildet hat und dass „bunt“ in dem Fall für „Vielfalt“ steht. In drei kleineren Gesprächsgruppen, die in unterschiedlichen Räumen des Jugendzentrums stattfanden, konnten Fragen gestellt und offene Punkte besprochen werden.
Fazit
Wir haben festgestellt, dass Unterschiede und das Ansprechen dieser meistens nur dazu dienen, Neid und Zwietracht zu sähen. In den häufigsten Fällen dient es dazu, von den eigentlichen Übeltätern abzulenken und Skandale unter den Teppich zu kehren sowie vermeintliche “Sündenböcke” zu finden. Oft ist uns das nicht bewusst und wir lassen uns von Argumenten und Menschen blenden, die mit dem Finger auf andere zeigen.
Doch wir wissen sehr genau, was Recht und Unrecht ist und vor allem, wenn etwas faul ist. Wir treten ein für unsere Freunde. Wer unsere Freunde sind, lassen wir uns durch irgendwelche Ideologien und Vorurteile nicht vorschreiben. Wir brauchen Vorbilder– nicht Lehrer – die uns zeigen, wie man Zivilcourage lebt und Menschen, die jenes Unrecht aufzeigen, das gegen die Menschenwürde verstößt.
Zahlen
Insgesamt waren bei allen vier Workshops 97 Jugendliche im Jugendzentrum. Davon haben 61 aktiv an den Workshops teilgenommen. Von den Teilnehmenden waren achtzehn Personen weiblich und 43 männlich. Bei den vier Workshops wurden insgesamt achtzehn Pizzen verspeist.
Dank
Zum Schluss möchten wir uns noch bedanken. Bei den geistigen Eltern des Workshops die da sind: Petra, Lena, Wolfgang und Florian und bei dem Team der Familienakademie Mühlviertel, welche die Idee der Initiative “Steyregg ist bunt” aufgegriffen haben. Bei Bgm. Gerhard Hintringer und seinem Team in der Gemeinde und im Bauhof, die uns tatkräftig unterstützt haben. Bei den Pizza-Lieferanten, allen voran Stadtwirt Pacino, sowie Pinky und die Pizzeria Solino, die uns beim Pizza backen unter die Arme gegriffen haben. Nicht zu vergessen ist das JUZ-Team, sowie die Praktikantin Vanessa und die Jugendlichen, die an der Workshop-Reihe teilgenommen haben.